Post aus Cronenberg

31_4_KPEV_F_KED Efd_Cronenberg_Post- und Personenwageneinsatz_18940911

 

Im Zuge der Recherchen der „Burgholzbahn“, dem späteren „Samba“, fielen die zwei schon mehrfach veröffentlichten Ablichtungen der alltäglichen Bahnsteigsituationen mit sehr ähnlicher Motivwahl rund um die Jahrhundertwende auf. Man kann in diesen Bildern intensiv spazieren gehen und dadurch versuchen die vergangene Zeit besser zu verstehen.

 

Zunächst die Gesamtansicht der älteren Version, etwa 1895, welche unmittelbar in Cronenberg aufgenommen sein soll.

 

Der Vergleich der Details in diesen beiden Aufnahmen, deren jüngere etwa um das Jahr 1900 gemacht wurde, zeigt jedoch im zweiten Bild eindeutig das Empfangsgebäude von Küllenhahn. Insbesondere die Krümmung der Bahnsteigkante zeigt deutlich die Zuweisung zum dortigen Bahnhof, aber auch die Postkarre ist identisch (Beulen im Blech auf der Stirnseite). Auch der Arbeiter an der Karre ist derselbe und dass diese Arbeitsgeräte nebst Personal zwischen den Stationen hin und herpendelten, dürfte als eher unwahrscheinlich angesehen werden können.

 

Damit ist schlüssig belegt, dass auch die erste Aufnahme auf dem Bahnsteig in Küllenhahn entstanden ist. Die fälschliche Zuweisung nach Cronenberg dürfte hier dem gut lesbaren „Postcoursschild“ (ganz rechts am Rand in der Mitte des Bildes) geschuldet sein.

 

 

 

 

 

Hier nun das neuere der beiden Bilder zum Vergleich. Es ist hier der PPosti3368 eindeutig in der Station Küllenhahn zu sehen.

Soweit ein erster Vergleich zwischen den beiden Bildern.

 

Von Zeit zu Zeit kommt es dann während der Sammeltätigkeit zu Entdeckungen, welche Vermutungen widerlegen oder im besseren Fall auch bestätigen können. Im geheimen Staatsarchiv in Berlin gibt es die Akte "Die durch die veränderte Einteilung der Direktionsbezirke bedingte Ausgleichung der Betriebsmittel, Bd. 2. Okt 1894- Jan 1895"  in der viele interessante Angaben zur KED Elberfeld zu finden sind. Neben einer Stationierungsübersicht der vorhandenen Lokomotiven, nebst deren Verteilung auf die einzelnen Betriebswerkstätten bzw. deren Lokstationen, findet sich dort auch eine solche Auflistung zu Personen und Güterwagen.

 

Natürlich gibt es dort auch Angaben zur Burgholzbahn und den in Cronenberg vorgehaltenen Wagen und wenn man dann eine solche präsente Nummer wie die des Postwagens 3357 liest, macht es einfach Ping!

 

Der Station "Cronenberg" waren für die Bildung der Züge 581-596 (8 Zugpaare) zugeordnet:

 

2 Wagen II./III. Klasse (BCi)  Nr. 1393 und 1394

1 Wagen      III. Klasse (Ci)    Nr.   244,

2 Wagen      III. Klasse (Ci)    Nr.   245 und 246 (als Reserve zur Verstärkung in Cronenberg hinterstellt, s.u. zum Thema Reservewagen)

1 Wagen           PPosti             Nr. 3357 vereinigter Post- und Gepäckwagen

 

Ein, neben dem Postcoursschild, schriftlicher Nachweis, dass genau dieser auf dem ersten Bild zu sehender PwPosti nach Blatt 8 der Normalien für die Betriebsmittel (Baujahre 1882-1891), zumindest in der vermuteten Zeit um 1894-95 auf dieser Strecke zum Einsatz kam.

Hier die Seitenansicht des Blatt 8 mit dem PPosti.

Die „Normalien für die Betriebsmittel der Preussischen Staatsbahnen“ wurden erstmals im Jahre 1878 veröffentlicht und boten den durch die laufende und baldige Übernahme der großen Privatbahnen entstehenden Königlichen Eisenbahndirektionen eine Art Katalog, mit den sie ihre Fahrzeugbeschaffungen abdecken konnte.

Dem Gebot sollte entsprochen werden, jedoch durfte bei besonderen örtlichen Verhältnissen wie zum Beispiel größeren Anforderungen durch Steigungen auch Fahrzeuge außerhalb dieser Normen beschafft werden. Die Burgholzbahn ist auch hier ein gutes Beispiel, sah sich doch die KED Elberfeld genötigt, im Ausland, genauer in Bayern bei Krauss in München, eine geeignete Lokomotivbauform (später T9 Bauart Elberfeld) zu erwerben.

 

Durch die angemerkte Verstaatlichung der Privatbahnen konnte die KPEV u.a. dazu übergehen den Neubau von Eisenbahnstrecken auch auf den Relationen zu beginnen, welche für die gewinnorientierten Privatbahngesellschaften nicht rentabel genug gewesen wären. Ab 1880 wurden für die entstehenden Nebenbahnen mit preiswertem, leichten und einfachen Oberbau/Gleisanlagen, ebensolche Fahrzeuge benötigt. So erschienen im September 1882 die „Normalien für die Betriebsmittel für Bahnen mit untergeordneter Bedeutung der Preußischen Staatsbahnen“, in denen die dafür nötigen Fahrzeuge beschrieben wurden.

 

Es wurden jeweils ein BCi¹, ein Ci und ein Di-Wagen mit 4000mm (Blatt 2, 4, 6) und 5000mm (Blatt 1, 3, 5) Achsabstand durchkonstruiert, bzw. aus den Normalien von 1878 (Bl.3 u. 5) übernommen, sowie je ein PPosti mit 4500mm Achsabstand (Blatt 7) und 4000mm im hier beschriebenen Blatt 8.

In Grundriss und Längenschnitt lässt sich die innere Aufteilung des PPosti gut erkennen. Der linke größere Bereich mit angegebenen 9m² Bodenfläche (s.a. Bildauszug links) ist das Packwagenabteil, dem Arbeitsplatz für den Zugführer mit klappbarer Schreibtischplatte und einem großen Einbauschrank, in dem die nötigen Betriebsmittel wie Fackeln, Lampen, Werkzeuge und weitere Hilfsmittel ² untergebracht werden konnten. Weiter findet sich noch auf der linken Fahrzeugseite die Außentüre des Hundeabteils. Für die Gepäckstücke und das Expressgut (Stückgut gab es nur bei Güterzügen), gab es neben der freien Bodenfläche auch noch ein umlaufendes Regal mit schräggestellten Flächen, damit das Gut auch geschützt lagern konnte.

 

Gegenüber dem Schrank befand sich der Ofen und an der Stirnwand war eine Tür, welche mit den Übergangsblechen den Wechsel Zugführers und Schaffners in den nächsten Personenwagen erlaubte. Im Musterblatt sind dort auch die Teile der Heberlein-Seilzugbremse (Kurbel und Rollen) zu erkennen. Sie dienten dem Zugführer zum Abbremsen des Zugteils, wenn aus betrieblichen Gründen bei gemischten Zügen zwischen der Lokomotive und den Personenwagen Güterwagen ohne durchgehendes Bremsseil eingestellt waren und so der Lokführer den Personenwagenzugteil nicht bremsen konnte.

 

Wie auf der ersten Photographie jedoch deutlich zu sehen ist, fehlte diese Einrichtung bei den Fahrzeugen. Insofern ist dann die nächste Aufgabe Nachweise über Angaben der Bremsbauart zu finden.In der rechten Wagenhälfte war der nur durch die beiden seitlichen doppelten Falttüren zugängliche Postraum untergebracht. Auch hier konnte mittels eines Ofens der Raum beheizt werden, der für den Postdienst mit einer großen Anzahl an Regalfächern aufwarten konnte, um während der Fahrt in gewissem Rahmen die Poststücke sortieren zu können.

 

 

Bei der preußischen Staatbahn hatten die Wagen des Post- und Personenverkehrs oftmals die auch hier zu sehenden Oberlichtaufbauten, welche bei den Postwagen durchaus eher die Regel wurden, um für die Sortierung während der Fahrt genügend Lichteinfall zu haben. Ein Einbau weiterer Fenster verbat sich durch die Nutzung der Wandflächen für die Sortierfächer von selbst. Durch verstellbare Lüftungsöffnungen in den Oberlichtaufbauten, dienten diese auch der Verbesserung der Belüftung der Wagen.

Auch wenn durch die Kombination Packwagen/Postwagen das Postabteil stets im Zugverband mitlief, war dieses nicht unbedingt bei jeder anstehenden Zugfahrt durch Beamte der Post besetzt. Für den Fahrplan 1914 sind diese  Angaben bekannt.

 

 

Das ältere Foto und der PwPosti 3357 geben aber noch weitere Informationen preis, denn auf dem Fahrzeugrahmen ist mit „Barmen-R.“ die Heimatstation Barmen Rittershausen angegeben. Einen Bruchteil weiter nach rechts geschwenkt, wäre auch noch das Datum der nächsten Untersuchung sichtbar geworden und hätte einen weiteren Eckpunkt für die Datierung des Bildes nennen können. Derzeit (01.08.2022) liegt für den Fahrplan 1894 kein Kursbuch oder anderer amtlicher Fahrplan vor, jedoch ein Protokoll der Cronenberger Stadtverordnetenversammlung vom 27.12.1894, welches eine Liste der gewünschten Abfahrtzeiten der erwähnten Züge für den nächsten Fahrplanwechsel beinhaltet. Inwieweit diese seitens der KED umgesetzt wurden, kann erst durch einen Fahrplan festgestellt werden.

 

 

Das Protokoll sei hier transkribiert wiedergegeben:

 

 

2. Eisenbahnfahrplan. Angelegenheiten

 

Die Einrichtung des Eisenbahnfahrplans der Strecke Elberfeld – Cronenberg hat schon lange zu lauten Klagen und Beschwerden der hiesigen Bevölkerung Veranlassung gegeben. Der Vorsitzende theilte dem Stadtverordneten.Collegium das Schreiben der Königlichen Eisenbahn Direction vom 10. Dezember 1894 No 6270 II B mit, woraus hervorgeht, daß jede Aussicht auf Einlegung eines dritten Vormittagszuges – der hier allgemein gewünscht wird – fehlt, ebenso, daß die Verlegung eines Nachmittagszuges auf den Vormittag nicht angängig sei.

Nach eingehender Beratung beschließt die Stadtverordnetenversammlung die Königliche Eisenbahndirection zu bitten, die Abfahrzeiten der Personenzüge wie folgt einzurichten:

 

ab Cronenberg                                        ab Elberfeld

 

Zug No. 581           ab  5,55                   Zug No. 582           ab  6,33

          583                 7,18                             584            ab  9,46

          585               12,35                             586            ab  1,35

          587                 2,49                             588            ab  3,51

          589                 4,36                             590            ab  5,25

          591                 6,13                             592            ab  7,05

          593                 7,51                              594            ab  8,50

          595               10,04                             596            ab11,15

 

Ein weiteres Mosaiksteinchen zum Thema findet sich im Amtsblatt der KED Elberfeld

 

Stück 20, vom 24. April 1896, lfd.Nr. 352 – Beförderung der Briefbeutel, den 20. April 1896

 

Vom 1. Mai d.J. ab sind die Briefbeutel zwischen den Briefbeförderungsbureau in Elberfeld und den Stationen mit den vermerkten Zügen zu befördern, nämlich:

Von     Efd-D. mit den Zügen 44 Efd-D. – Efd-St., 582 Efd-St. – Cronenbg.

Nach Efd.-D. mit den Zügen 593 Cronenbg. – Efd-St., 81 Efd-St. – Efd.-D.

Zugbildung

 

Möchte man sich über die Gegebenheiten der Betriebsführung der Preußischen Staatsbahnen informieren, so kommt man um die Veröffentlichungen von Wilhelm Eduard Ludwig Cauer (*1858 †1940) nicht herum. Als sein Hauptwerk ist sicher „Betrieb und Verkehr der Preußischen Staatsbahnen_ Ein Handbuch für Behörden und Beamte“ in zwei Bänden zwischen 1897 und 1903 in mehreren Auflagen erschienen, anzusehen. Darin finden sich zur obigen Betrachtung in Band 1, auf den Seiten 155-159 die folgenden Angaben, welche hier als Scans beigefügt sind.

Anmerkungen:

 

¹ Die Bezeichnung der Fahrzeuge mit Großbuschstaben entspricht der Wagenklassen B = 2. Kl., C = 3.Kl., D = 4.Kl. Der Kleinbuchstabe i weist auf offene Übergänge, nicht unbedingt Plattformen, hin.

 

² Die Ausrüstungsgegenstände unterschieden sich nach Verwendungszweck und technischer Ausstattung (z.B. Brems- bzw. Heizungsbauart) der Wagen. Außerdem waren einige der Gebrauchsmittel in den Schränken verschlossen und mit Bleisiegelverschluß versehen.

 

 

Quellenangaben:

 

Blatt 8 der „Normalien für die Betriebsmittel für Bahnen mit untergeordneter Bedeutung der Preußischen Staatsbahnen“

 

Daraus die Auszüge:

31_4_KPEV_F_Normalien Bl.8_1882-91_PwPosti_4m_Grundriss.jpg

31_4_KPEV_F_Normalien Bl.8_1882-91_PwPosti_4m_Längenschnitt.jpg

31_4_KPEV_F_Normalien Bl.8_1882-91_PwPosti_4m_Querschnitt.jpg

31_4_KPEV_F_Normalien Bl.8_1882-91_PwPosti_4m_Rückansicht.jpg

31_4_KPEV_F_Normalien Bl.8_1882-91_PwPosti_4m_Seitenansicht.jpg

31_4_KPEV_F_Normalien Bl.8_1882-91_PwPosti_4m_Stirnansicht.jpg

 

31_0_KPEV_P_Betrieb u. Verkehr der Preußischen Staatsbahnen_Cauer Wilhelm_1897_ Ein Handbuch für Behörden und Beamte. 1. Band. Berlin_Springer_471 S. 1. Bd.

 

Internetfundstellen:

Cauer, Wilhelm Eduard Ludwig Eisenbahnfachmann, * 13.2.1858 Breslau, † 13.8.1940 Gersfeld (Rhön). (evangelisch)

 

Abruf: 2022.09.03

 

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