Eisenbahnunfall in Güntenbeke im Jahre 1907

Der nun folgende Text ist eine neu bebilderte Arbeit vom 22.12.2006, welche ich im Historischen Forum von Drehscheibe Online veröffentlicht habe. Im Jahre 2009 habe ich dann die Bilder mit einem anderen Anbieter noch einmal hochgeladen, aber auch das war nicht von Dauer.

Daher möchte ich nun diesen Beitrag noch einmal aufarbeiten und hier einstellen, damit man die Arbeit nicht ständig wiederholen muß.


Aktueller Anlass ist ein sehr schöner Beitrag des "Der Bergische", Axel Johannßen, vom 08.03.2015, welcher die Eisenbahn bei der Ortschaft Güntenbeke vom Ende der Siebziger Jahre bis in die Jetztzeit beschreibt.

Unfall im Jahre 1907 und die Recherche darüber

Im Zuge einer Recherche für den Band 1 über das Aw Opladen von Kurt Kaiß, habe ich versucht über den Hintergrund der Bilder eines Einsatzes des in Opladen stationierten Hilfszuges etwas herauszubekommen. Die Recherche lag zum Zeitpunkt der Veröffentlichung auch schon wieder neun Monate zurück, weswegen ich zunächst mit den aktuelleren Bildern zur Einstimmung begonnen habe. Hier ist es nun auch einfacher mehr Bilder einzufügen.

Winterliches Bergisches Land. Bahnhübergang bei Güntenbeke in Streckenkilometer 40,0, Blickrichtung Dieringhausen
Winterliches Bergisches Land. Bahnhübergang bei Güntenbeke in Streckenkilometer 40,0, Blickrichtung Dieringhausen
Winterliches Bergisches Land. Bahnhübergang bei Güntenbeke in Streckenkilometer 40,0, Blickrichtung Meinerzhagen
Winterliches Bergisches Land. Bahnhübergang bei Güntenbeke in Streckenkilometer 40,0, Blickrichtung Meinerzhagen
Doch nun zum eigentlichen Ort meines Besuches dort. Der Kilometer 40,8.
Doch nun zum eigentlichen Ort meines Besuches dort. Der Kilometer 40,8.

Beschreibung der Unfallbilder vom Einsatz des Hilfszug Opladen

Im Zuge von Recherchen zu einem Buch über das Eisenbahnausbesserungswerk (Aw) Opladen, sind wir auf Abbildungen eines Eisenbahnunfalles gestoßen, die bei einem Bergungseinsatz des Opladener Hilfszuges entstanden sind.
Leider gab es auf den Fotografieen keine weiteren Angaben zum Aufnahmeort, zum genauen Datum oder andere Angaben zum Unfall.

Was ist auf den Bildern zu sehen?

Der einzige Hinweis neben den technischen Details findet sich in einem, auf der verunfallten Lokomotive angebrachten Weihnachtsbaum und der Jahreszahl 1907. Es ist eine Lokomotive, Gattung T8 der preußischen Staatsbahn zu erkennen, die zum damaligen Zeitpunkt in der Königlichen Eisenbahndirektion Elberfeld nur im sogenannten Maschinenamt Hagen vorgehalten wurden und vom Bahnbetriebswerk Dieringhausen aus eingesetzt wurden.

In der KED Elb, Ma Hagen, Bw Dieringhausen waren folgende Maschinen beheimatet:

T 8
7001- 89 008 Linke Hoffmann 396 / 1907
7002- 89 009 Linke Hoffmann 397 / 1907
7003- 89 010 Linke Hoffmann 398 / 1907
7004- 89 011 Linke Hoffmann 399 / 1907
7005- 89 030 Hanomag 4587 / 1907
7006- 89 031 Hanomag 4588 / 1907

Woran kann man erkennen das es eine T8 ist?

Gerade Führerhausrückwand / Dach abgenommen
Kesselarmaturen
Domanordnung – Dampfdom auf dem 1. Kesselschuß, Sandkasten = 1. Bauform
Nur mittlere Kuppel- (Treib-) Achse gesandet
Heißdampfzylinder
Gerader Verlauf der Einströmrohrverkleidung
Wasserkastendeckel
Druckluftbremse
Ausschnitt im Umlauf für Schwinge

Wo und Wann entstanden die Aufnahmen?

Weihnachten 1907 – siehe Aufschriften und Weihnachtsbaum
Zeitpunkt? – Es ist auf beiden Bildern die gleiche Örtlichkeit – Gleiskrümmung / Überhöhung
Evtl. eine Bahnhofseinfahrt oder Gla – siehe Standort des Hilfszugwagens - Gleisstumpf? Nach Besichtigung des Unfallortes ist die Vermutung eines Holzverladeplatzes naheliegend. Dieses müßte noch einmal gegengeprüft werden, da sich auf der Reichsbahndirektionskarte (1929) kein Hinweis einer solchen Betriebsstelle findet.
Frage: Wäre alternativ ein als Bm-Schuppen abgestellter Güterwagen denkbar? Andererseits scheint es sich bereits um einen Verbandsgüterwagenkasten zu handeln.

Die beiden Aufnahmen, die uns zur Verfügung stehen sind aus unterschiedlichen Blickwinkeln und zu unterschiedlichen, mindestens mehrere Stunden auseinanderliegenden Zeitpunkten, wenn nicht sogar an unterschiedlichen Tagen entstanden. (u.a. sichtbar an der unterschiedlichen Lage der Lok ; Schräge)

Weitere Recherche:

Aufgrund dieser Angaben haben wir, unter dem angenommenen Einsatzgebietes des obengenannten Hilfszuges, unser Suchgebiet auf das Oberbergische Land im Bereich der von Dieringhausen aus bedienten Bahnstrecken konzentrieren können.

Nach umfangreicher Suche in diversen, das oberbergischen Land abdeckenden Zeitungen aus der Weihnachtszeit des Jahres 1907, konnten wir zunächst im Stadtarchiv Wuppertal fündig werden.

Hier war in der 1. Beilage des Anzeigers für Berg und Mark vom 21.07.1907, folgende Meldung verzeichnet:

"Hagen, 20.Dez. Über ein Eisenbahnunglück wird amtlich folgendes gemeldet: Heute morgen gegen 11:00 Uhr sind zwischen den Stationen Meinerzhagen und Holzwipper (km 49) die Zugmaschine und die ersten drei Wagen des Personenzuges 1151 die Böschung hinuntergestürzt. 6 Reiseende und 3 Mann Zugpersonal sind leicht verletzt. Der Materialschaden ist unbedeutend. Die Ursache der Entgleisung ist noch nicht bestimmt ermittelt."

20.12.1907 gegen 11:00Uhr, mit Zug 1151 Dieringhausen 09:51, Kotthausen 10:17, Marienheide 10:24, Holzwipper 10:31, Meinerzhagen an 10:37, ab 10:40, weiter nach Hagen an 12:12

Laut der Zeitung bzw. der darin zitierten amtlichen Meldung, liegt der Unfallort angeblich zwichen Holzwipper (km 43,79) und Meinerzhagen (km 38,82), aber der aufgeführte km 49 befindet sich zwischen Kotthausen (km 51,03) und Marienheide (km 47,87).

(Vielleicht weiß Einer von Euch da etwas Näheres und kann ein nochmaliges Überprüfen der Kilometrierung von 1907 durchführen)


Ein Vergleich mit den vorliegenden Karten (Maßstab 1:25000 + 1:50000) lässt an Hand der Örtlichkeiten und der Lage der Lok (Schornstein voraus Richtung Hagen) den Unfallort beim heutigen Streckenkilometer 40,8 vermuten. Auch der Standort des Hilfsugwagens (Gleisstumpf ?) lässt zwar einen Rückschluß auf einen Gleisanschluß zu, der aber an dieser Stelle (Holzverladestelle) noch nicht ausgeschlossen ist.
Obgleich die Zeitungen der damaligen Zeit sonst in zum Teil blutig, detaillierter Weise über jeden Suizid oder eine kleinere Entgleisung berichtet haben, findet sich über diesen Unfall so gut wie gar nichts in den Blättern.

Im Stadtarchiv in Lüdenscheid steht im Generalanzeiger von Lüdenscheid vom 20.12.1907 folgende Meldung:

"Meinerzhagen, 20. Dez. (Telegr.) Der heute um 10 Uhr 37 Min vormittags hier fällige Personenzug von Gummersbach ist bei Holzwipper entgleist. Drei Personenwagen sind beschädigt. Eine Anzahl von Personen wurde verletzt, darunter einige schwer."
Einen Tag später findet sich folgender Bericht, in dem auch die uns bereits bekannte amtliche Meldung wiederholt wird.

Generalanzeiger von Lüdenscheid vom 21.12.1907:

"Zum Eisenbahnunfall bei Holzwipper wird uns ergänzend berichtet: Der Zug entgleiste eineinhalb Kilometer vor der Station Meinerzhagen. Der Lokomotivführer hatte sofort Gegendampf gegeben, konnte jedoch nicht verhindern, daß die Lokomotive und der erste Wagen nach links die Böschung herabfielen, während die beiden folgenden nach rechts gingen. Der Lokomotivführer blieb unverletzt, während der Heizer schwere Verletzungen im Gesicht davontrug. Von den Reisenden hatte einer eine schlimme Verwundung der Hand, während die anderen mit weniger oder mehr Schrammen und mit dem bloßen Schrecken davonkamen. Ärztliche Hilfe war sofort zur Stelle und zwar Herr Sanitätsrat Dr. Pohlmann, der den Verwundeten einen Notverband anlegte. Das Geleise ist gesperrt. Der Verkehr wird durch Umsteigen aufrechterhalten.

Amtlich geht uns noch folgende Darstellung zu:

Heute morgen gegen 11:00 Uhr sind zwischen den Stationen Meinerzhagen und Holzwipper (km 49) die Zugmaschine und die ersten drei Wagen des Personenzuges 1151 die Böschung hinuntergestürzt. 6 Reisende und 3 Mann Zugpersonal sind leicht verletzt. Der Materialschaden ist unbedeutend. Die Ursache der Entgleisung ist noch nicht bestimmt ermittelt."

Soweit also die örtliche Presse, bei der wir leider keine weiteren Hinweise finden.

Weiterer Verlauf des Fadens im Hifo von DSO

Nach meiner Ortsbesichtigung bin ich mir mehr als sicher genau die Stelle gefunden zu haben,
denn auch die schemenhaft auf den Orginalbildern zu erkennenden Geländeumrisse passen aufs Haar genau,
wenn man den Bewuchs fortläßt.

Zu der Karte meinen herzlichsten Dank, denn meine sind bei weitem nicht so gut abgelagert.
Allerdings muß ich gestehen, das ich es nicht bis in die von Dir erwähnte Kreisbücherei geschafft habe.
Die Sache mit dem Gleisanschluss ist eine von mir noch nicht widerlegte Vermutung,
denn wie ich im Zuge zu anderen Recherchen festgestellt habe, waren gerade die alten Preußen recht pfiffig,
was die Anlage auch von vorneherein nur für einige Monate!!!geplante provesorische Gleisanschlüsse angeht.

Die von mir bisher entdeckten Amtsblätter der KED Elberfeld sagen zumindest nichts gegenteiliges zu dem Thema.
Ich habe die Sache aber zugegebenermaßen noch nicht bis ganz zum Schluß verfolgt,
denn für die nunmerh erfolgte Veröffentlichung war der Datenstand ausreichend.

Für mich allerdings nicht! Es wurmt mich da noch ein wenig;-)

Fragen die meiner Meinung nach noch offen sind:

- die Diskrepanz zwischen den Kilometerangaben (Möglicherweise Freiheiten in der Berichterstattung der Medien???)
- die Tatsache, das über jeden Furzrangierunfall, teilweise seitenweise Berichte im Amtsblatt zu finden sind, über den Unfall aber 0, Nichts, niente.
- Gleichfalls die Presse. Ich erinnere mich da an eine Geschichte über den Suizidversuch einer jungen Frau die sich vor einen Zug geschmissen hat, das verletzt überlebt hat und sich dann bis in einen Mühlgraben geschleppt hat und dort freudig erregt ausgerufen hat: Jetzt gehts rund! bevor sie das Mühlrad durchgedreht hat....
- der Standplatz der Hilfzugwagens (siehe auch die entsprechende Ausbuchtung in Deinem Kartenausschnitt)
- Die Sache mit dem Gleisanschluß. Der Platz wäre ausreichend für einen kurzen Gleisstumpf(siehe Karte), aber einen Hinweis im entsprechenden Amtsblatt habe ich noch nicht gefunden. Allerdings sind diese Aufschreibungen lückenhaft, wenn es um "dienstlich" genutzte Anlagen handelt!!!
- Was für einen Grund sollte es dort gegeben haben? Holzabbau bzw. dessen Verladung? Es gibt keinen Steinbruch und dgl. in unmittelbarer Nähe.

Was die Frage nach der Zuwegung angeht, so bin ich ziemlich sicher, das diese mitten durch das heutige Wäldchen führt, denn dort läßt sich etwas in dieser Art erkennen!

Das scheint mir die Unfallstelle zu sein.


Auch die gegenüberliegende Hanglage entspricht genau der auf dem zweiten Bild (im Dunst zu erkennenden) Hohenlinie.

Auszug einer Topografischen Karte Blatt 4911 Gummersbach von 1955; http://contentdm.lib.byu.edu/cdm/search/collection/GermanyMaps/searchterm/4911/order/title
Auszug einer Topografischen Karte Blatt 4911 Gummersbach von 1955; http://contentdm.lib.byu.edu/cdm/search/collection/GermanyMaps/searchterm/4911/order/title

Ich werde dem hier nun (am 09.03.2015) hoffentlich dauerhaft hochgeladenen Artikel noch mit weiteren Fotos und Karten ergänzen.

Bei auftretenden Fragen oder auch interessanten Anmerkungen besteht über einen Eintrag im Gästebuch oder eine Mail an


mail ät vauhundert.de


eine einfach Kontaktmöglichkeit.